Als die Kufen kaum merklich den Kontakt zum Boden verlieren, kann unsere Mission, weit oben über der südafrikanischen Halbwüste endlich beginnen. Unter uns bahnt sich eine Herde Büffel ihren Weg durch die karge Buschlandschaft und ich versuche, ihre Größe zu beziffern. Ich bin Urlaubs-Ranger in der Karoo und darf das Reservat bei seiner jährlichen Tierzählung begleiten.
Mein Abenteuer beginnt in Kapstadt. Wir fahren auf der N1. Ich lehne mich entspannt zurück und lasse die Landschaft hinter der Fensterscheibe an mir vorbeiziehen. Als wir das bergige Weinland verlassen, befinden wir uns urplötzlich im Nichts. Ein Nichts aus trockenem Sandboden, gespickt mit kleinen, kugelartigen Büschen und Dünengras. Lediglich die schmalen Strommasten am Rand der Straße lassen darauf schließen, dass sich irgendwo in diesem Nirgendwo ein Ort befinden muss. Wir folgen der Route weiter. Kilometerweit. Ich beginne mich langsam an dieses Gefühl von Abgeschiedenheit zu gewöhnen.
Weit und breit ist kein anderer Wagen zu sehen und auch die Landschaft scheint noch völlig unberührt zu sein. Mein Blick bleibt an einem Strauß hängen, der, überrascht von unserem Besuch, aufgeregt das Weite sucht. Ich schmunzle und frage mich, ob er wohl einem der Straußenfarmer hier in der Nähe entkommen ist.
Am Treffpunkt erwartet uns Don, der „Ranger-Lehrling“ des Reservats mit einem breiten Lächeln. Gemeinsam laden wir das Gepäck in seinen Landrover. Ich spüre, wie in mir die Aufregung steigt, als ich mich zum ersten Mal in den Safari Wagen setze.
Das Reservat umfasst 5.000 Hektar und beherbergt neben Giraffen, Affen, Gnus, Büffeln und verschiedenen Antilopen-Arten auch drei Geparden. Außerdem dürfen viele Vogelarten und nachtaktive Tiere wie Erdferkel oder Schakale das Reservat ihr Zuhause nennen. Der angehende Ranger berichtet uns während der Fahrt stolz von seinem neuesten Projekt. Er studiert das Verhalten der Erdmännchen und versucht sie nach und nach an menschliche Besucher zu gewöhnen.
In der Lodge werde ich von den Managern Abigail und Don herzlich begrüßt. Das sympathische Ehepaar gibt seinen Gästen seit über vier Jahren tiefe Einblicke in das Leben in der Karoo. Da sie sich für den Schutz bedrohter Tierarten einsetzen, waren sie sofort von Elela Africa’s Ranger Safari Konzept begeistert. Don ist mit der Natur aufgewachsen und liebt es, sein Wissen über die Arbeit in der Wildnis an seine Gäste weiterzugeben.
„Na, freust du dich schon auf Morgen?“, fragt mich Abigail grinsend. Tatsächlich lässt sich meine Vorfreude nur noch schwer im Zaun halten, seitdem wir Kapstadt verlassen haben. „Wir stehen im Kontakt zu dem Piloten“, erklärt mir Don. „Die genaue Uhrzeit wird sich nach der Wetterlage richten“. Damit die Ranger einen Überblick von den aktuellen Tierbeständen im Reservat erhalten, werden ein Mal im Jahr Tierzählungen (engl. „Game Counts“) aus der Luft durchgeführt. Ich darf in diesem Jahr live mit dabei sein.
Im Innenhof der Lodge treffe ich auf Birgit, Anke, Hans Jürgen und Sven. Sie hatten am Morgen besonderes Glück und durften den Wildtierarzt bei der Behandlung einer schwachen Büffeldame begleiten. Als Teilnehmer des Eco Programms konnten sie sogar aktiv mit anpacken – „Da hatte ich auf einmal die Hörner in der Hand und musste aufpassen, dass der Kopf gerade bleibt“, lacht Sven. „Und ich durfte dem Büffel am Ende die Vitaminspritze geben!“, strahlt Birgit stolz. Sie freuen sich spürbar über die neuen Eindrücke. „Ein tolles Ereignis jagt hier das Nächste!“. Am Vortag haben sie sich bereits zu Fuß auf die Suche nach den scheuen Geparden gemacht.
Keine Stunde später befinde ich mich wieder im Safari Wagen. Es ist noch früh am Abend und wir wollen die Gelegenheit nutzen, um uns auf die Spuren einiger Tiere zu begeben. Büffel, Gnus und Elenantilopen begrüßen uns, als wir den Pfad zur Lodge verlassen und in eine weiße Landschaft voller Dornbüsche abbiegen. Ich lasse meinen Blick über die karge Landschaft gleiten und lausche Don’s Safari Geschichten. Ich spüre sofort die Leidenschaft in seiner Stimme und freue mich über jede neue Information – Sei es woran man den Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Schildkröten erkennt oder ob es sich bei dem Busch vor uns um Dornen oder Stacheln handelt. Gerade noch rechtzeitig schaffen wir es zu seinem Lieblingsplatz auf einer Anhöhe. Die Sonne steht schon tief, als wir uns zu einem gemeinsamen Drink vor dem Wagen versammeln. Verträumt sehe ich der Sonne zu, wie sie die Berge in dunkles Rot taucht.
Am nächsten Morgen wache ich schon vor meinem Wecker auf. Ich stehe am Fenster und beobachte, wie die ersten Sonnenstrahlen auf die karge Landschaft treffen. Es ist windig und ich mache mir Sorgen, dass der Flug mit dem Heli ausfallen könnte. Tatsächlich erfahre ich wenig später, dass wir abwarten müssen. Der Pilot stammt aus dem Küstenort Mossel Bay und muss eine Bergkette überqueren, um zu uns zu gelangen.
Während wir auf eine Besserung des Wetters warten, mache ich mich zusammen mit den anderen Urlaubs-Rangern auf die Suche nach den Erdmännchen. Dank des bewölkten Himmels stehen unsere Chancen auf ein persönliches Treffen mit den kleinen Sonnenanbetern allerdings sichtlich schlecht. Die Ranger haben über den Tunnelsystemen der schüchternen Tiere Kamerafallen aufgestellt. Ihre Speicherkarten müssen täglich ausgewechselt und ausgewertet werden. Zurück in der Lodge werden uns die Ergebnisse gezeigt – Schade, wir haben die kleinen Mangusten nur knapp verpasst!
Kurze Zeit später erreicht uns endlich die gute Nachricht – der Helikopter ist auf dem Weg. Nervös und ein bisschen überfordert mit der Kleiderwahl stehe ich in meinem Zimmer. Kaum zu glauben, dass ich einen Tag nach meiner ersten Safari auch noch meinen ersten Helikopter Flug machen werde. Bevor wir starten, gibt es ein Aufgaben-Briefing von Abigail und Don. Schließlich machen wir den Flug nicht (nur) zum Spaß. Wir werden in Gruppen eingeteilt und sollen unterschiedliche Bereiche des Reservats überfliegen. Der Ranger auf dem Vordersitz versucht sicherzustellen, dass wir keine Herden doppelt zählen.
Die Ergebnisse entscheiden darüber, ob neue Tiere einziehen dürfen oder bestehende Populationen in ein anderes Reservat umgesiedelt werden müssen. Im vergangenen Jahr wurden zum Beispiel neue Springböcke in das Reservat eingesiedelt. Das Team möchte herausfinden, wie sich ihre Population entwickelt hat.
Ich bin in der letzten Gruppe. Wir fahren mit dem Safari Wagen zu einem Treffpunkt mitten im Reservat. Als wir den Helikopter erreichen, haben Hans Jürgen und Birgit, die ersten beiden Urlaubs-Ranger-Piloten, schon wieder festen Boden unter den Füßen. Es scheint ihnen sichtlich Spaß gemacht zu haben. „Zwischendurch hatte ich schon ein mulmiges Gefühl“, lacht Birgit. Die Beiden erzählen mir „Erstmal sind wir ganz tief geflogen, um die Tiere unter den Bäumen hervor zu locken. Dann haben wir alle Zählungen auf einer Strichliste festgehalten“. Sie sind erfahrene Safari-Gänger und schon zum dritten Mal mit Elela Africa unterwegs. „An den Urlaubs-Ranger Safaris gefällt mir besonders gut, dass du aktiv mit dabei bist“, erzählt Hans Jürgen begeistert, „Du bist immer ganz nah dran.“. Das zweite Pärchen, Anke und Sven, ist zum ersten Mal auf einer Eco Safari in Südafrika. Sie sind von der Aussicht aus dem Helikopter überwältigt. „Es ist beindruckend, was man hier an einem Tag alles erleben kann. Man schafft es Abends gar nicht mehr alles aufzuschreiben“, staunt Anke. Sie haben sich bewusst für das Programm entschieden, weil sie mehr über den Natur- und Artenschutz lernen möchten.
Jetzt bin ich dran. Ausgestattet mit Liste, Klemmbrett und Stift sitze ich auf dem Rücksitz des Helikopters. Kaum merklich verlassen die Kufen des Fliegers den Boden. Wenige Sekunden später befinden wir uns hoch oben in der Luft und ich weiß gar nicht, wo ich zuerst hinsehen soll. Die Aussicht auf die Karoo scheint endlos zu sein und die kleinen Wolken werfen runde Schatten auf den braunen Boden. Dann entdecken wir auch schon die ersten Tiere. Eine Büffelherde läuft aufgeregt unter uns. Kurz darauf zwei Gnus. 1, 2, 3, 4 … schnell mache ich die ersten Striche auf der Liste. „Da stehen zwei Zebras!“, höre ich meine Sitznachbarin durch das Headset. Kurz darauf weist mich unser Pilot auf eine weitere Herde auf der anderen Seite hin. Es ist gar nicht so leicht, den Überblick zu behalten. Trotzdem steht alles Passagieren ein Dauergrinsen im Gesicht. Als wir eine Kurve fliegen, beschleunigt sich mein Puls. Wir entdecken meine Lieblingstiere – eine kleine Gruppe Giraffen beäugt uns misstrauisch, bevor sie den Rückzug antritt. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, die Wildnis Afrikas aus der Luft beobachten zu können. Auf dem Landeanflug halte ich das Klemmbrett fest umschlossen. Ich bin gespannt, was Abigail und Don zu unseren Ergebnissen sagen.
Die Resultate der Zählungen bestätigen, was die Manager bereits befürchtet hatten. Durch die anhaltende Dürre in der Karoo haben sich viele Populationen verkleinert. Um die verbliebenen Tiere vor dem Hungertod zu bewahren, müssen die Ranger aktiv zufüttern. Es sind Programme wie die Ranger Safari, die Gäste und Afrika-Liebhaber auf Hintergründe wie diese aufmerksam machen sollen.
Am Ende meines Abenteuers sitze ich wieder im Safari Wagen. Obwohl die Landschaft der Karoo zurzeit sehr karg ist, hat ihre Weitläufigkeit doch etwas Besonderes und ich genieße ein letztes Mal das Gefühl von Abgeschiedenheit. Ich bin mir sicher, dass ich die Erlebnisse der letzten Tage für immer in Erinnerung behalten werde und kann es kaum erwarten, die nächste Reise als Urlaubs-Ranger anzutreten.